· 

Antwort von Jürgen Coße zur Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht

Lieber Thomas,
liebe GenossInnen aus Lotte,
vielen Dank für deine Nachricht. Ich kann deinen Unmut absolut nachvollziehen und teile viele deiner 
Sorgen, die Du äußerst.
Du hast recht: Die Causa rund um die abgesetzte Wahl von Frau Prof. Brosius-Gersdorf ist mehr als
bedenklich. Sie ist nicht nur eine fachlich hochqualifizierte Juristin, sondern auch eine
Persönlichkeit mit Rückgrat und einem klaren Kompass für die Grund- und Freiheitsrechte in unserem Land.
Dass sie - ausgehend von rechtsextremen Netzwerken - durch eine orchestrierte Kampagne diskreditiert
wurde, ist ein Vorgang, der uns sehr alarmieren muss. Dass CDU-Abgeordnete diese rechtsextremen
Narrative übernehmen, macht es umso schlimmer.
Gerade weil es um das Bundesverfassungsgericht geht, ist aber besondere politische Zurückhaltung 
wichtig. Dieses Amt darf nicht in parteipolitischen Auseinandersetzungen zerrieben werden.
Das macht die öffentliche Kommunikation so sensibel. Solche öffentlichen Kampagnen bergen zudem
die Gefahr, dass nicht nur die betroffene Kandidatin persönlich beschädigt wird, sondern auch ein
abschreckender Effekt für zukünftige Kandidat:innen entsteht. Gerade bei einem so sensiblen und
bedeutenden Amt wie dem einer Richterin oder eines Richters am Bundesverfassungsgericht
darf es nicht sein, dass Persönlichkeiten, die sich in den Dienst unseres Rechtsstaats stellen wollen,
durch politische Kampagnen entmutigt oder gar diffamiert werden. Wir dürfen es nicht zulassen,
dass der Einsatz für die Verfassung zu einem persönlichen Risiko wird.
Trotzdem hat es eine klare Positionierung unserer Fraktionsspitze gegeben: 
Matthias Miersch hat öffentlich erklärt, dass die SPD-Fraktion weiterhin an der Nominierung festhält,
die Kampagne gegen sie verurteilt und auch die Vertreter der katholischen Kirche, die das Narrativ
der rechtsextremen Netzwerke übernommen hatten, deutlich kritisiert.

Als gesamte Fraktion haben wir klargemacht, dass wir weiter zu Frau Prof. Brosius-Gersdorf stehen.
Diese Aussagen sind bewusst deutlich, ohne dabei das Verfassungsgericht in politische Kämpfe 
hineinzuziehen, aber mit der klaren Botschaft: Wir lassen uns von rechtspopulistischer Hetze nicht treiben.
Dass die Union sich aus einer zuvor abgestimmten Einigung und auch dem im Richterwahlausschuss 
gefassten Beschluss zurückzieht, ist ein Tiefpunkt parlamentarischer Verlässlichkeit.
Und es zeigt leider auch, wie schnell rechtsextreme Narrative anschlussfähig werden.
Ich sage es offen: Das ist brandgefährlich. Wer sich durch Hetzkampagnen im Netz treiben lässt, 
überlässt den politischen Diskurs den Falschen.
Das schwächt den demokratischen Konsens und öffnet die Tür für neue Tabubrüche.
Herzliche Grüße
Jürgen